Buchtipp vom

Wort und Ton - ein Wechselspiel: Ein Streifzug durch die Operngeschichte mit Hanjo Kesting

Kesting Oper

Bereits bekannt durch zahlreiche Publikationen zum Thema Literatur und Musik untersucht der Redakteur und Publizist Hanjo Kesting in seinem neuesten Buch Bis der reitende Bote des Königs erscheint - Über Oper und Literatur das interessante Wechselspiel zwischen Wort und Ton. Heraus kommt dabei ein spannender Streifzug durch die Operngeschichte.

Denn um nichts anderes geht es in diesem Buch als um die Partnerschaften zwischen Komponisten und Textdichtern und um den ewigen Streit über den Vorrang von Ton und Wort und die diskussionswürdige Entscheidung „Prima la musica, e poi le parole“ (Erst die Musik, dann das Wort). Schließlich und endlich waren diese Partnerschaften mal mehr, mal weniger glücklich. Und wie das im Einzelnen aussieht, lässt uns Hanjo Kesting in aller Ausführlichkeit wissen - gründlich recherchiert und brillant formuliert.

Libretti - keine Oper ohne sie. Sie sind „in der Regel mehr als die Summe der von Sängern gesungene Worte“. Und so sind einige der berühmtesten Librettisten nicht nur wohlbekannt; sie stehen im Hinblick auf das gesamte Werk gleichberechtigt neben den Komponisten. Sowohl„der Fürst der Librettisten“Pietro Metastasio als auch „der wahre Phoenix Mozarts“ Lorenzo Da Ponte waren als Operndichter - im wahrsten Sinne des Wortes - mehr als einflussreich. Kesting nennt zum Beispiel Metastasio gar den „einflussreichsten Operndichter der Geschichte“. Seine Textbücher wurden unzählige Male vertont - von den unterschiedlichsten Komponisten.

Zu nennen sind auch Eugène Scribe, der sehr viel für Giacomo Meyerbeer gearbeitet hat. Scribe kam vom Vaudeville-Theater, für das er als Theaterdichter gearbeitet hat. Meyerbeer und Scribe - Kesting charakterisiert sie als die Dioskuren der Großen Oper - ist „Wort und Ton“ für die Opern Die Hugenotten, Die Afrikanerin und Robert der Teufel zu verdanken.

Oder Felice Romani, der unter anderem die Libretti für Norma von Vincenzo Bellini und Il turco in Italia vonGioacchino Rossini sowie L’elisir d’amore von Gaetano Donizetti verfasst hat. Die Zusammenarbeit war alles andere als reibungslos. Kesting beschreibt auf sehr spannende Weise, wie sie funktionierte oder auch nicht funktionierte.

Giuseppe Verdi hat immer wieder mal mit anderen Librettisten zusammen gearbeitet. Als die beiden wichtigsten sind jedoch sicher Arrigo Boito und Francesco Maria Piave zu nennen. Zweifellos ein Glücksfall für die Operngeschichte. Sehr ausführlich erzählt Hanjo Kesting von dieser Zusammenarbeit. Sie begann, was jedenfalls Piave betrifft, mit der originellen Bemerkung „Hoch! Lasst uns trinken! Wenigstens im Wein Vergnügen suchen!“ Was daraus wurde? Eine dauerhafte Beziehung, auch wenn Piave nicht unbedingt der beste Librettist für Verdi war. Dennoch verdanken wir diesem Textdichter so großartige Opern wie Rigoletto, La forza del destino und Ernani. Während Piave schlicht „unentbehrlich“ für Verdi war, wurde Arrigo Boito zu einem „Glücksfall“ für den Komponisten. Nicht zuletzt sind Otello und Falstaff dieser Zusammenarbeit zu verdanken. Und damit große Oper und großes Theater.

Eine Zusammenarbeit sozusagen mit sich selbst pflegte Richard Wagner, der letztlich sein eigener Textdichter war und so mit seinen Opern eine Art „Gesamtkunstwerk“ geschaffen hat. Wagner also, der „im musikalischen Dufte meiner Schöpfung berauscht“ war. Kesting stellt allerdings die Frage, wie gut wohl Wagners Operntexte sind? Vielleicht überrascht die Antwort.

Und so fort, möchte man sagen, denn Hanjo Kestings Streifzug durch die Geschichte von Oper und Literatur ist bei Weitem nicht zu Ende. Über Richard Strauß und Hugo von Hofmannsthal (Elektra, Der Rosenkavalier, Die schweigsame Frau) lässt sich viel erzählen - und Hanjo Kesting tut es. Auch über Bertolt Brecht und das Musiktheater - ein Kapitel, das dem Buch seinen Titel gibt: Bis der reitende Bote des Königs erscheint. Um am Schluss zu bemerken, „Damit ihr wenigstens in der Oper seht, wie einmal Gnade vor Recht ergeht“.

Gnade vor Recht - auch Hanjo Kesting lässt sie walten. Der Musik und der Literatur - und beiden zusammen. Und so ist das Schöne an diesem Buch: Man kann mal hier, mal dort aufschlagen - immer wird man Interessantes, Spannendes und nicht zuletzt auch Unterhaltendes lesen können.

Ein Buch, an dem Opernfreunde und nicht nur sie viel Freude haben werden.

© Günter Nawe

Hanjo Kesting, Bis der reitenden Bote erscheint. Über Oper und Literatur. Wallstein Verlag, 400 S., 24,90 €

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