Buchtipp vom

Adam Zamoyski

Napoleon

„Was für ein Roman war mein Leben!“

Die Besprechung der großen Napoleon-Biographie von Adam Zamoyski darf ausnahmsweise einmal mit einer persönlichen Anmerkung beginnen: Vor wenigen Wochen stand der Rezensent in der Kathedrale S. Giovanni Battista in Monza vor der Eisernen Krone der Langobarden. Am 2. Dezember1804 hatte Papst Pius VII. Napoleon in der Kathedrale Notre Dame de Paris zum Kaiser gekrönt. Am 26. Mai 1805 krönte sich nun Kaiser Napoleon I. im Dom zu Mailand zum italienischen König, indem er sich die einst von Karl dem Großen getragene Eiserne Krone der Lombardei selbst aufs Haupt setzte. Man glaubte, bei diesem Anblick einen Hauch von Geschichte zu verspüren.

Umso interessanter deshalb auch die folgende Lektüre der Napoleon-Biographie des polnischen Historikers Adam Zamoyski. Denn diese beiden Ereignisse spielen in seinem Buch und natürlich in der Biographie des großen Korsen eine entscheidende Rolle. Zamoyski behandelt sie mit der gleichen Detailkenntnis wie überhaupt das Leben des Napoleon Bonaparte, das 1769 in Ajaccio auf Korsika begann und 1821 in der Verbannung auf St. Helena im Südatlantik endete.

Wer war dieser Mann, der - mit heute verglichen - in nur wenigen Lebensjahren eine Neuordnung Europas zustande brachte? Auskunft und zwar nahezu erschöpfende Auskunft darüber gibt die jetzt erschienene Biographie, die bezeichnenderweise als „Ein Leben“ untertitelt wird. Ihr Autor hat sich schon in mehreren Büchern nicht nur international in der Fachwelt einen Namen gemacht - unter anderem mit 1812, das Napoleons Feldzug in Russland gewidmet ist, und mit 1815, also mit Napoleons Sturz und dem Wiener Kongress.

Nun also der ganze Napoleon. „Was für ein Roman war mein Leben“, hat der spätere Kaiser einmal gesagt. Und in der Tat: Geboren als Kind einer armen Familie, mit 26 Jahren bereits General, dann Erster Konsul und wenige Jahre später Kaiser - und Herrscher über Europa. Dabei fing alles ziemlich gewöhnlich an für den „schlechten Reiter und lausigen Kutscher“, der gegen alle Staaten des Kontinents Krieg führen und damit verantwortlich sein wird für Millionen von Toten. So unspektakulär der Anfang dieses im Grunde genialen Menschen also war, so spektakulär dafür sein Ende.

Aber erst einmal folgte Sieg auf Sieg - zum Beispiel 1805 Austerlitz, 1806 Jena und Auerstedt, 1807 Sieg über die Armee des Zaren bei Friedland.

Napoleon war auf dem Höhepunkt seiner Macht - gefürchtet, gehasst und bewundert. So war „Goethe, mit dem er sich am 1. Oktober (1808 - die Red.) zu einem ausgedehnten Frühstück traf“, … „von der Macht, die er in Napoleons Blick spürte, überwältigt, und fasziniert von dessen anscheinend übermenschlichen Fähigkeiten“.

Irgendwann allerdings wendete sich das Blatt - spätestens nach der Schlacht an der Beresina (1812); 1813 dann die berühmte Völkerschlacht bei Leipzig. Napoleon muss ins Exil auf die Insel Elba. Noch ein kurzes Aufflackern seiner Macht mit seiner Rückkehr nach Frankreich - vor dem Schicksalsjahr 1815, in dem sich Europa nach den Kriegen mit Napoleon neu erfand. Und in dem das endgültige Ende Napoleons mit der Schlacht bei Waterloo besiegelt wurde. Am 15. Juli 1815 wird er auf die Insel St. Helena verbannt, wo Napoleon am 5. Mai 1821 stirbt.

Adam Zamoyski erzählt die Geschichte der Schlachten, Siege und Niederlagen sowie der politischen Entwicklungen, die sich daraus für Europa ergeben haben, mit wissenschaftlicher Akribie. Sie gilt auch und vor allem dem Hauptakteur der Geschehnisse: Napoleon Bonaparte. Mit souveräner Sachkenntnis, faktenreich, fesselnd und anekdotenreich schildert er den Lebenslauf dieses außergewöhnlichen Menschen - immer im Kontext mit den politischen und gesellschaftlichen Ereignissen der Zeit. Zamoyski räumt dabei mit Legenden auf, entzaubert Mythen, die sich um Napoleon rankten und ranken. Am Ende steht eine Persönlichkeit voller Widersprüche und mit genialen Zügen.

Brillant geschrieben ist unter der Feder des Historikers Adam Zamoyski eine großartige Lebensbeschreibung entstanden, ein Meisterwerk, eine - ist man versucht zu sagen - ultimative Biographie. Dieses Buch ist schlicht und einfach ein pures Lesevergnügen.

© Günter Nawe

Adam Zamoyski, Napoleon.
Ein Leben.
C.H. Beck Verlag, 863 S., 29,95 €

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