Buchtipp vom

Kurt Tucholskys heitere Sommergeschichte „Schloß Gripsholm“

"Ich denkelte so vor mich hin."
Tucholsky Gripsholm

Ein Liebespaar im Sommerurlaub – zu zweit und zeitweise zu dritt. Tucholsky und Lydia vor allem. „Ich ... bot den diskret lächerlichen Anblick eines Mannes, der balzt.... Ich machte Plüschaugen und sprach über Literatur – sie lächelte ... Und dann sprachen wir von der Liebe." Und irgendwann schlief die Prinzessin und „Ich denkelte so vor mich hin."

Wer anders als der große Kurt Tucholsky konnte eine so wunderbare Sommergeschichte schreiben: „Schloß Gripsholm", heiter und zärtlich, amüsant und idyllisch und ohne jedwede Sentimentalität, voller Wortwitz und verschmitztem Humor und mit tiefgründigen Anspielungen.

Eine Anhäufung von Prädikaten, von Superlativen – und jedes einzelne dieser Charakteristika ist mehr als verdient. Wann darf man so etwas von einem literarischen Werk schon behaupten? In Zusammenhang mit Kurt Tucholsky und „Schloß Gripsholm" darf man.

Kurt Tucholsky hat diese Sommergeschichte im Jahre 1931 veröffentlicht. Sie rekurriert auf eine Liebesgeschichte, die den Schriftsteller mit Lisa Matthias in den Jahren 1927 bis 1931 verband. 1929 hatte sich Tucholsky in der Nähe von Göteborg ein Haus gemietet. Es sollte dauerhaft sein Zufluchtsort werden, nachdem ihn die Reichtagswahl 1930 mit dem Erfolg der Nazis in tiefe Resignation, in Selbstzweifel und Weltekel gestürzt hat. Und aus dieser „Stimmung" heraus ist es entstanden – dieses kleine heitere Sommerstück, „ein Buch von Sommer und Liebe, von Freundschaft und Hilfe" (Walter Hasenclever).

Vorher aber Urlaub mit Lisa. Läggesta heißt der Sehnsuchtsort an am Mälarsee, unweit von Schloss Gripsholm und Mariefred gelegen. Und Lisa heißt Lydia in diesem Buch – und ist nach Tucholsky doch nur eine Fiktion. Und es soll beileibe keine autobiografische Geschichte sein. Egal! Was auch immer Germanisten und Literaturkritiker in diese zauberhafte Geschichte Wichtiges und Bedeutsames hinein- und aus ihr herauslesen: Das kleine Büchlein gehört sicher zum Schönsten, das die deutsche Literatur zu bieten hat und erscheint nun neu in einer liebevoll edierten Ausgabe im Kröner Verlag, bereichert durch ein fundiertes Nachwort von Joachim Bark, das nicht unbeachtet bleiben sollte, lässt es uns doch interessante Zusammenhänge zwischen dem Autor, der Geschichte und der Zeit erkennen.

Ein Urlaub also mit „Prinzessin" Lydia. Nachdem sie das Haus gemietet hatten, badete die Prinzessin erst einmal Probe. „Und ich musste mich darüber freuen, wie sie nackt durchs Zimmer gehen konnte – wirklich eine Prinzessin... Und später: „Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele." „Da lagen wir... Der Wald rauscht. Der Wind zieht oben durch die Wipfel. Und ein ganz feiner Geruch steigt vom Boden auf, ein wenig säuerlich und frisch, moosig, und etwas Harz ist dabei."

Sie sonnen sich und baden nackt. Sie lieben sich und reden miteinander, mal zärtlich, mal ein wenig schnoddrig, dann wieder in einer Art Kindersprache. Karlchen, ein alter Freund von Kurt, kommt zu Besuch. Karlchen geht und Billie kommt. Lydias beste Freundin. Es entwickelte sich eine Ménage-à-trois, ein erotisches Abenteuer zu dritt. Lydia und Billie im Doppelbett. Kurt kommt hinzu. Sie lösen Kreuzworträtsel. Und dann...

Und da ist Ada, das Mädchen aus dem Kinderheim, das von einer sadistischen Lehrerin geführt wird. Das verängstigte Kind, das Kurt und Lydia ans Herz gewachsen ist, muss gerettet werden – aus seiner Einsamkeit und aus den Fängen der Erzieherin. Mit List und Tücke machen sich die beiden ans Werk. Und bevor noch der Urlaub zu Ende geht, und bevor die Geschichte zu Ende ist, ist das Werk vollbracht. Eine rührende Episode, die so recht in diese Sommergeschichte passt.

„Und dann stand unser Wagen auf der Fähre. Das Schiff erzitterte leise. Die Lichter der Küste wurden immer kleiner und kleiner, dann versanken sie in der blauen Nachtluft. ... Die Prinzessin sog den salzigen Atem des Meeres ein. ‚Daddy – ich bedanke mich auch schön für diesen Sommer!' ‚Nein, Alte – ich bedanke mich bei dir!'"

Und wir uns bei Kurt Tucholsky für dieses wunderbare Leseerlebnis.

© Günter Nawe

Kurt Tucholsky „Schloß Gripsholm“
Kröner Verlag, 224 S., 14,90 €

Tucholsky Gripsholm

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