Buchtipp vom

Gustave Flaubert: „Madame Bovary“

Elisabeth Edl hat Gustav Flauberts epochalen Roman neu übersetzt
Flaubert Madame Bovary
Gustave Flaubert: „Madame Bovary“
Hanser Verlag
758 S., 34,90 €

Was veranlasst uns, einen Roman, der vor mehr als einhundertfünfzig Jahren geschrieben wurde, von dem es seither siebenundzwanzig Übersetzungen in die deutsche Sprache gibt, zu unserem „Buch des Monats“ zu erklären?  Es ist allein die Tatsache, dass „Madame Bovary“ der Roman schlechthin ist und von ihm jetzt die – man ist geneigt zu sagen – ultimative Übersetzung durch Elisabeth Edl vorliegen dürfte. Mittlerweile erscheint diese Ausgabe auch auf den unterschiedlichsten Bestenlisten.

 Am 19. September 1851 schreibt Gustave Flaubert (1821-1880) das erste Wort eines Romans, der wie kein anderer die Literatur revolutionieren sollte: „Madame Bovary“.

Dieses Buch – der „Roman aller Romane“, wie Theodor W. Adorno formulierte – ist zu einem Mythos geworden. „Madame Bovary“ ist der erste moderne Roman. Das gilt für Stil und Konstruktion, das gilt aber und vor allem für seinen Inhalt.

 Der Roman erzählt die Geschichte von Emma Bovary, die seit Generationen die Leser begeistert. Emma ist zum Inbegriff der Leidenschaften, der Liebe, der Unmoral, der Träume vom großen Leben in der kleinen Provinz geworden. Diese Madame Bovary ist eine der faszinierendsten Frauengestalten der Weltliteratur. Und: Dieser Roman ist eine exemplarische Darstellung der „Sitten in der Provinz“, ihrer Beschränktheiten, ihrer Dummheit -  wie der Untertitel gleichsam provozierend lautet; er ist ein außergewöhnliches Zeit- und Sittenbild.

 Die schöne Emma Bovary langweilt sich in der Provinz, in dem Nest Yonville-l’Abbaye,  und mit ihrem Mann Charles Bovary, einem bescheidenen Landarzt. Sie träumt von großer Leidenschaft und großer Liebe. Sie versucht, ihre Träume zu verwirklichen. Aus ihrer Langeweile bricht sie aus. Sie sucht Liebe und Lust und „Abwechslung“. Und findet sie zum Beispiel bei dem Provinz-Casanova Rodolphe und später beim Kanzlisten Léon. Ehebruch also. Dazu kommen ihre Vergnügungs- und Verschwendungssucht. Doch ihr Glück findet sie nicht. Die Liebschaften erledigen sich wie von selbst. Die Schulden wachsen ihr über den Kopf, Familie ist nicht mehr. Emma Bovary scheitert an sich selbst, an ihren hohen Erwartungen und an den Moralvorstellungen ihrer Zeit. Und sie scheitert nicht zuletzt an an der Gesellschaft in diesem Provinzkaff Yonville, vertreten vor allem durch den Apotheker und Möchte-gern-Aufklärer Homais, durch den bigotten Pfarrer Bournisien, den Kaufmann und Wucherer Lheureux.und die ganze kleinkarierte und selbstgerechte provinzielle Gesellschaft. Am Ende erscheint Emma der Tod durch Gift als die letzte Lösung.

 Das Buch wurde bei seinem Erscheinen 1857 zum Skandal. Der Autor Gustave Flaubert, der von sich behauptet hat, „Madame Bovary c’est moi“, musste sich vor Gericht verantworten – angeklagt der Verletzung der öffentlichen Moral und der Religion. Verherrlicht die Hauptfigur „doch den Ehebruch, singt sie das Hohelied des Ehebruchs, seine Poesie, seine Lüste….“, so die Anklage. Flaubert wurde jedoch freigesprochen. Und das Buch beginnt seinen Siegeszug durch die die Zeit und die Weltliteratur.

 „Madame Bovary? Das ist ein Buch, das Sie alle zwei Monate lesen können, es ist immer neu“. So der französische Schriftsteller Pierre Michon. Recht hat er. Und so lesen wir jetzt „Madame Bovary“, erneut. Und  zwar in der Übersetzung von Elisabeth Edl. Was aber zeichnet die Übersetzung von Elisabeth Edl, die nicht nur wegen der glanzvollen Übersetzung von Stendhals „Rot und Schwarz“ auf sich aufmerksam gemacht hat, aus? In einem Interview hat sie einmal erklärt, welchen Anspruch sie an sich selbst gestellt hat: „Und eigentlich sieht man ja unmittelbar an jedem Satz, welche Rolle Melodie und Rhythmus spielen, wie kunstvoll alles gebaut ist… Diese Kunstgestalt muss eine Übersetzung hörbar machen“. Das ist ihr in hohem Maße gelungen.

 Vor allem aber galt es, Flauberts extremen Anspruch an sich selbst gerecht zu werden. Gustave Flaubert war äußerst korrekt, stets um den richtigen Ausdruck bemüht – er brüllte seine Sätze, bevor er sie niederschrieb – was seine Wortwahl, was Klang und Rhythmus betraf. Diese Genaugkeit legt auch Elisabeth Edl zugrunde, wie sie im Anhang „Zu Sprache und Übersetzung“ überzeugend deutllich macht. Sie behauptet zwar, dass man dem „stilistischen Rang und den ästhetischen Charakter“ Flauberts in einer Übersetzung nie nachvollziehen kann, wir als Leser glauben aber gern, dass sie ihm zumindest sehr, sehr nahe gekommen ist.

 Ein weiterer Vorzug dieser Neuausgabe ist der fundierte Anmerkungsapparat, sind die Aussagen zur Übersetzung – hier zeigt sich die angesehene Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Edl. Und die erstmalige Veröffentlichung sowohl der Anklageschrift als auch des Plädoyers des Verteidigers und nicht zuletzt Charles Baudelaires Text über „Madame Bovary“, beleuchten für den Leser die Hintergründe, die diesen Roman zu dem machen, was er ist. Vor allem aber ist  er ein außerordentliches Lesevergnügen.

© Günter Nawe

Gustave Flaubert: „Madame Bovary“
Hanser Verlag, 758 S., 34,90 €

Gustave Flaubert: „Madame Bovary“
Hanser Verlag, 758 S., 34,90 €

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