Buchtipp vom

Ein fast vergessener französischer Sommer: Gerd Pfeifers bezaubernde Geschichte einer Liebe

Pfeifer Genevieve

Ein junger Banker, der gerade ein Volontariat bei einer französischen Bank begonnen hat, wird von Monsieur le directeur der Wertpapierabteilung auf dessen Privatinsel eingeladen. Gérard, so heißt unser Held, nimmt an – und reist in die Bretagne, auf ein kleines Eiland im Golf von Saint-Malo. Und damit beginnt ein leicht frivoles, erfrischend erotisches Spiel in einem französischen Sommer.   

Diese Geschichte wird in „Geneviève“ erzählt; in einem Buch – geschrieben gegen die Lethargie des Alters. Gerd Pfeifer, ehemals erfolgreicher Investmentmanager, ist der Autor dieser kleinen, wunderbaren Erzählung. Einer Geschichte, für die Pfeifer bereits preisgekrönt wurde.

Lethargie des Alters? So liest sich dieser wundersame Roman auf jeden Fall nicht. Eher erinnert sie an Kurt Tucholskys „Schloß Gripsholm“. Und damit wissen wir bereits, worum es geht: Natürlich um die Liebe. Um die Liebe in einem wunderbaren Sommer auf einer nicht ganz so einsamen Insel.

Gérard, den blonden Deutschen, erwartet ein etwas verfallenes Haus und eine Hausherrin, die den Garten bearbeitet. Lediglich der Diener Pierre und seine Frau stellen so etwas wie Hauspersonal dar. Ein bescheidenes Leben, das so gar nicht dem Status des Hausherrn, der sich kaum sehen lässt, entspricht. Das aber soll sich ändern – allerdings auf eine andere Weise als gedacht. Angesagt ist Geneviève, die Tochter der Hausherrin, begleitet von zwei jungen Damen, Minouche und Garance, die bei der bevorstehenden Hochzeit von Geneviève die Brautjungfern spielen sollen.

Es ist glühend heiß, nur ein Bad im Meer verspricht etwas Kühle. Nach Ankunft der jungen Damen jedoch beginnt plötzlich die Luft an zu flirren. Eine einzigartige Konstellation: Ein junger Mann, drei junge Frauen – die Atmosphäre ist erotisch aufgeladen. Vor allem Geneviève möchte kurz vor ihrer Hochzeit noch ein letztes Mal ihre Freiheit genießen.

Überhaupt sind die jungen Frauen alles andere als schüchtern und bescheiden. Sie legen es auf die eine und andere Weise darauf an, den jungen Mann zu verführen. Dabei ist alles zulässig bis auf…. Der Leser ahnt es schon: „Es ist alles erlaubt, nur das Eine nicht.“ So die Spielregel. Und damit kann das Spiel beginnen – mal mit der einen, mal mit der anderen. Moral hin, Moral her – es zählt der Augenblick. Es wird ein faszinierendes Spiel von Verführung und Liebe, von Hingabe und Abweisung und Eifersucht werden. Allerdings zumindest für Gérard, der sich in Geneviève verliebt hat, ein nicht ungefährliches Spiel. Und dann kam die letzte Nacht mit Geneviève: „Erst in der Morgendämmerung fielen uns die Augen zu und als ich erwachte, war Geneviève nicht mehr da“.

Pfeifer beschreibt die unterschiedlichen Arrangements, die prickelnden Szenen, die bezaubernden Momente in diesem heißen Sommer mit viel Feingefühl und doch äußerst anregend. Aber auch auf atmosphärisch dichte Beschreibungen versteht sich der Autor: „Wenn man sich mit dem Rücken an den kühlen Felsen lehnte, öffnete sich der Blick weit hinaus auf das Meer, das Atem holte, um zur rechten Zeit die Flutwelle über den Strand stürmen zu lassen und das vorwitzige Land, das sich weit hinausgewagt hatte, wieder zu verschlingen.“ Wenn man so will eine schöne Metapher auch für das, was zwischen den Liebenden und Verliebten in diesem Sommer, wie noch keiner war, geschehen und nicht geschehen ist.

Aber war alles wirklich so? So aufregend und schön in diesem bretonischen Sommer vor fünfzig Jahren?  Zufällig findet die Enkelin von Geneviève nicht abgesandte Briefe, verschollen geglaubte Liebesbriefe an Gérard.  Sie sind vom Autor geschickt immer wieder in den Erzähltext eingefügt. Sie konfrontiert ihn mit diesen Briefen – und die bezaubernde Geschichte könnte eigentlich von Neuem beginnen. Doch nein! Das Schlusswort von Gérard ist eindeutig: „Nun ist es an der Zeit, sie zu verbrennen. Auch wenn es theatralisch ist. Ich bin ein alter Mann. Ich will nicht wissen, wer dieses junge Mädchen Geneviève ist. Oder wer ich für sie bin“.

Wundervoll und stimmungsvoll, leicht und ein wenig melancholisch ist diese kleine Liebesgeschichte, so recht geschrieben für einen schönen Sommer.

© Günter Nawe

Gerd Pfeifer, „Geneviève – Ein französischer Sommer“, Ripperger & Kremers, 92 S., 14,90 €

Pfeifer Genevieve

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