Buchtipp vom

Drei Bücher zum 250. Geburtstag von Johann Peter Hebel

„Ich bin zuletzt ... mit nie erhörter Würde geehrt worden“
Johann Peter Hebel
Johann Peter Hebel

Gleich drei Bücher werden diesmal als „Buchtipp des Monats" vorgestellt: zwei Biographien über Johann Peter Hebel und eine Neuausgabe des „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes". Und das aus einem guten Grund. Feiert die literarische Welt doch am 10. Mai den 250. Geburtstag des alemannisch-deutschen Dichters, dessen „Alemannischen Gedichte" und eben dieses „Schatzkästlein" zu den unvergänglichen Schätzen deutscher und der Welt-Literatur gehören.

„In Falun in Schweden küsste vor gut fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann seine junge hübsche Braut...". Selbst, wer noch nie etwas von Johann Peter Hebel gehört haben sollte: diese Geschichte vom „unverhofften Wiedersehen" dürfte bekannt sein. Jetzt ist sie in einer Neuausgabe des „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes" wieder zu lesen. In der traditionell schönen Edition der Manesse Bibliothek findet der Leser Hebels Kalendergeschichten: Scherze und Schwänke, Kurioses und Grausiges, Rätsel und Sensationen. Neben der schon genannten Erzählung „Unverhofftes Wiedersehen" - nach Ernst Bloch „die schönste Geschichte der Welt" - natürlich auch „Kannitverstan" und die Erzählung von Zundelfrieder und Zundelheiner; ein „weltliterarische Völklein", wie es der Herausgeber Werner Weber in seinem bemerkenswerten Nachwort bezeichnet. Die herrlichen Holzschnitte aus dem Jahre 1846 machen den zusätzlichen Reiz dieser schönen Ausgabe aus.

Wer war dieser Johann Peter Hebel, der am 10. Mai 1760 in Basel geboren wurde und am 22. September 1826 in Schwetzingen gestorben ist? Lesen wir ihn selbst: „Ich habe schon in dem zweiten Jahr meines Lebens meinen Vater, in dem dreizehnten meine Mutter verloren. Aber der Segen ihrer Frömmigkeit hat mich nicht verlassen... Gott hat mir an Elternstatt wohlthätige Berather meiner Jugend und treue Lehrer der weltlichen Weisheit und des geistlichen Berufs gegeben... Ich erhielt die Weihe des geistlichen Berufs. An einem friedlichen Landorte... als Pfarrer zu leben und zu sterben, war alles, was ich wünschte... Eilf Jahre lang bis in das ein und dreißigste meines Lebens wartete ich vergeblich auf Amt und Versorgung... Doch ich wurde unversehens in die Residenz berufen... Ich bin von Stufe gestiegen zu Stufe... Ich bin Mitglied der obersten Kirchenbehörde geworden. Ich bin zuletzt mit einer in unserer vaterländischen Kirche noch nie erhörten Würde geehrt worden …".

Etwas genauer steht es in zwei vorzüglichen Biographien. Bernhard Viel und Heide Helwig haben sich ausführlich mit Johann Peter Hebel beschäftigt. Sie gehen zwar von unterschiedlichen Ansätzen aus, um Leben und Werk des Dichters, Pädagogen, Theologen und Politikers zu betrachten und zu beschreiben, bieten aber beide hervorragende Information und besten Lesestoff.

Bernhard Viel verfolgt weitgehend chronologisch die einzelnen Lebensstationen des Dichters. Als ein zentrales Ereignis, das Hebel wie ein Trauma sein Leben lang begleiten wird, sieht Viel den Tod der Mutter, den der dreizehnjährige Johann Peter miterleben musste. Dieses Erlebnis war es, das Kräfte freisetzte, die Hebel eigentlich zum Dichter werden ließen, und damit zum Schöpfer der „Alemannischen Gedichte" und später der Kalendergeschichten („Das Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes").

Bernhard Viel zeichnet ein komplexes Bild der Persönlichkeit Hebels. Er wählt dazu einen erzählerischen Ansatz, der es ihm ermöglicht, Johann Peter Hebel sehr lebensnah zu beschreiben. Ohne allerdings die wesentlichen kritischen und literaturwissenschaftlichen Aspekte zu vernachlässigen oder den geistigen, politischen und theologischen Kontext der Zeit, in dem Hebel lebte und wirkte, zu übersehen. Besondere Aufmerksamkeit richtet Bernhard Viel auf die Interpretation des Langgedichts „Die Wiese" und auf das Gedicht „Die Vergänglichkeit". Erfreulicherweise vermeidet es der Autor, den Dichter als Idylliker darzustellen, wie es vielfach der Fall ist. Johann Peter Hebel war alles andere als das. Seine Heimatverbundenheit, seine Liebe zur oberrheinischen Landschaft, zum Markgräfler Land und ihren Menschen verleiteten ihn nie dazu, eine Idylle und eine heile Welt darzustellen.

Der irdischen Vergänglichkeit hat Hebel das Glück einer göttlich begründeten Erlösung entgegen gehalten. Nicht ohne Widerspruch und Zweifel. Auch und gerade daraus ist seine Dichtung zu lesen und zu verstehen.

Anders muss man Heide Helwigs Biographie lesen. Heide Helwig hat bisher ungedruckte Zeugnisse gesucht und gefunden. Nicht zuletzt wird es das auch gewesen sein, was sie veranlasst haben mag, Hebel in erster Linie als einen Repräsentanten der Geistesgeschichte in bewegten Zeitläuften darzustellen. Und zwar in allen seinen Facetten, auch in seiner Widersprüchlichkeit. Sie arbeitet die Lebensdaten und -stationen weniger chronologisch ab. Sie setzt thematische Schwerpunkte, die aus Leben und Werk herausgearbeitet werden. So unter anderem „Sprachheimat und Dialektgedicht", „Natur in Gesängen und Systemen" oder „Die Wüsten des Lebens zu färben: Freundschaft, Liebe, Poesie". Johann Peter Hebel ist ein ketzerischer Biedermann, ein subversiver Angepasster, ein Aufklärer und natürlich ein Poet von Rang. Auf diese Weise gelingt es der hervorragenden Biographin - wie es der Hebel-Landsmann Martin Walser gesagt hat - „ein Dichterleben ... zum Stoff für ein vielfarbiges Epochengemälde" zu machen. Heide Helwig hat ein ausgesprochen kluges und informatives Buch geschrieben, das das
Zeug hat, zum Standardwerk der Hebelforschung zu werden.

© Günter Nawe

Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinisches Hausfreundes
Manesse Verlag, Zürich, 280 Seiten, 19,95 €

Bernhard Viel: Johann Peter Hebel oder Das Glück der Vergänglichkeit
Verlag C. H. Beck, München, 290 Seiten, 22,95 €

Heide Helwig: Johann Peter Hebel
Hanser Verlag, München, 366 Seiten, 24,90 €

 

Johann Peter Hebel
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