Buchtipp vom

Arthur Schnitzlers Novelle vom „Späten Ruhm“

Der Dichter als alter Mann
Bildkurzbeschreibung

Eduard Saxberger heißt er und ist ein Beamter. Aber eigentlich ist er Dichter; besser: Er war ein Dichter. Kein hochberühmter – nein. Aber seine „Wanderungen" waren doch nicht ganz unbeachtet geblieben. Doch dann ging die Zeit über ihn und seine Gedichte hinweg. Und so lebte der Dichter von einst nun als alter Mann etwas vereinsamt, aber insgesamt mit sich und der Welt zufrieden, in Wien.

Arthur Schnitzler, hat – ja, man möchte sagen – eine Parodie auf den Literaturbetrieb seiner Zeit geschrieben. Und zugleich mit dem alternden Dichter, dem am Ende die Worte fehlen, eine berührende Figur „erfunden". Oder besser: der Wirklichkeit nachgebildet. Gleichzeitig demaskiert er in dieser faszinierenden Novelle - Schnitzler war ein Meister dieser Literaturgattung - Zeitgenossen. Die Wiener Kaffeehausliteratur feiert fröhliche Urständ. Die Literatur ist im Aufbruch. Und so treffen wir sie, die berühmten Dichter: Hugo von Hofmannsthal als Winder, Christian als Schnitzler, Adele Sandrock als die Schauspielerin Gasteiner in den bekannten Kaffeehäusern wie dem „Griensteidl" und anderen, diskutierend und schwadronierend.

Sie bilden die Gruppe „Die Begeisterten", die sich in den Kaffeehäusern feiert und an ihrem frühen Ruhm bastelt. Ihre Mitglieder, Dichter, Schauspieler, Kritiker, sind ein wenig arrogant und vor allem von sich überzeugt, auch wenn ihr „Ruhm" sozusagen noch in den Kinderschuhen steckt. Und dieser Intellektuellenclub hat sich, um sein Ansehen zu mehren, Saxberger, den alten Dichter, ausgesucht. Er wird für sie zu einer Art Guru.

Ach, armer Saxberger. Von der Aufmerksamkeit der jungen Leute sichtlich gerührt, von ihrem Lob seines fast vergessenen kleinen Werkchens ein wenig geblendet, genießt er den „Späten Ruhm", der ihm so unerwartet zuteil wird. So war plötzlich „um ihn eine Atmosphäre von Hoffnung, Jugend, Selbstbewusstsein, in der er tief aufatmete". Deshalb merkt er nicht, dass er nicht nur von den jungen Literaten „missbraucht" wird, sondern dass sie gar ein übles Spiel mit ihm treiben. Als er jedoch ihrer Aufforderung, ein neues Werk zu schreiben, nachkommen will, stellt er schnell fest, dass er dem nicht nur nicht mehr gewachsen ist. Armer alter Dichter.

Wunderbar, wie Arthur Schnitzler seine Figuren zeichnet, wie er nicht ohne Selbstironie das ganze noch unreife Künstlergehabe beschreibt, uns den Jargon der Gruppe, aus der später die „Wiener Moderne" werden sollte, "hörbar" werden lässt. Großartig vor allem – und das macht diese Novelle zu einem kleinen Meisterwerk – Saxberger, der Dichter als alter Mann. Der Leser erlebt mit ihm mitfühlend, dank der hohen psychologischen Meisterschaft seines Schöpfers, das Wechselbad der Gefühle, dem sich Eduard Saxberger ausgesetzt fühlt. Er erlebt emotionale Höhen und Tiefen. Am Ende heißt es „Ich habe geträumt... ich habe mein Leben geträumt." Und so atmet der Leser gleichsam mit ihm auf, wenn er am Ende der Novelle wieder in sein „normales" Leben zurückkehrt. Er geht wieder „aufs Amt" und trifft sich wieder mit seinen Freunden im Wirtshaus. Hier ist Eduard Saxberger, dem die volle Sympathie, das ganze Mitgefühl des Lesers gehört, nicht mehr Dichter, sondern, man möchte sagen, Mensch.

Über diese wundervolle Geschichte möchte man fast vergessen, dass sie, wenn auch Meisterwerk, keineswegs vollendet ist. Auch Arthur Schnitzler selbst hatte kritische Einwände gegen die 1894 geschriebene Novelle. Daher mag es auch kommen, dass „Später Ruhm" bis heute unveröffentlicht geblieben ist – sieht man von einer fast unbeachtet gebliebenen Publikation im Jahr 1977 ab. Jetzt haben wir also nun auch diese Novelle des Altmeisters und sollten uns trotz manch kritischen Einwands darüber freuen.

© Günter Nawe

Arthur Schnitzler, „Später Ruhm“
Zsolnay Verlag, 160 S., 17,90 €

Bildkurzbeschreibung

zurück